Udo Wiegand, Schauspieler & Zeitreisender

Udo Wiegand, Schauspieler & Zeitreisender

Udo Wiegand, Schauspieler & Zeitreisender

Ein Slogan des Jobcenters, ein Mantra, welches allerdings nur behördenintern wirksam ist, lautet:

“Fordern und Fördern”

Was letzteres – das “Fördern” – betrifft: Gerade das Jobcenter Friedrichshain-Kreuzberg läßt überproportional viel Fördergelder unangewendet zurückgehen. Das sind Millionen Euros jedes Jahr. Dies keinesfalls zum Schaden beispielsweise der Langzeitarbeitslosen, denn es ist klar: In Berlin-Kreuzberg ist man ohnedies zu überqualifiziert.

Man orientiert sich hier an der gegenwärtigen Praxis der Bundesregierung: Dem Dummköpfemangel muß entschieden entgegen getreten werden! (Aber bleiben wir lieber im uns gewohnten Mikrokosmos und betrachten die Details…)

In der Außenwirkung dreht sich dieses “Fordern und fördern” des Jobcenters also um zu:

“Fordern und Veröden”

Schauen wir folgerichtig auf den anderen Pol dieser Achse der Drögen: Das “Fordern”.

Hier werden von Seiten des Jobcenters Spitzenleistungen vor allem auf der Schnittlinie der beiden Kasten:”Angestellte” versus “Selbständige” geleiset. (Angestellte sind die, die es begriffen haben, bei Selbständigen kann es noch dauern.)

Um die an mir erprobten Vorgänge einem geneigten breiteren Publikum darstellen, müßte zunächst kommuniziert werden: Die Blackbox des Angestelltenmodules im ALG2-Gesetzesrahmen, sowie die Möglichkeiten des geschäftsfähigen Individuums in der Freiberufleroase bzw. im Selbständigenluftschloß, und wie das Jobcenter diese beiden Rechtskreise und deren Durchdringung als Schnittmenge interpretiert, wenn ein Mensch, was er ja darf, in beiden Sphären agiert.

Dies alles würde zu lang für einen Kabarett-Abend, deshalb will ich es hier mit einer Tierfabel versuchen, wobei ich zur Vereinfachung und zwecks Tierschutz die Tiere weggelassen habe. Es dreht sich um eine abstrakte Analogie, mathematisch ausgedrückt: einen Isomorphismus von der Jobcenter­philosophie auf Watzlawicks “Anleitung zum Unglücklichsein”, genauer gesagt, sein Exempel mit den beiden Pullovern. Aber ich habe hier auch die Pullover weggelassen. Aus Copyrightgründen.

Schritt 1) Das Jobcenter fordert mich auf: Beweisen Sie, daß 5 und 5 addiert die 7 ergibt. Bitte sonst nichts. Benutzen Sie beigefügtes Formular. Das brauchen wir zwingend. Bitte auch keine Zweifel an dieser Aufgabenstellung äußern, das kennen wir schon, verstehen es auch, aber können es nicht ändern, das ist so vorgegeben. Wenn diese Beweisführung Ihrerseits nicht erfolgt, kann es leider so mit uns nicht weitergehen.

Schritt 2) Ich liefere den Beweis: Mittels ausgefülltem 6-seitigen Formularvordruck EKS und zusätzlichem formlosen Kommentar. Letzteres erscheint mir notwendig, da ich weiß, meine Angaben auf dem 6-seitigen Formular können gar nicht ausreichend sein zum Verständnis meiner Problemlösung.

Schritt 3) Das Jobcenter teilt mir (vollkommen richtig) mit, daß meine Lösung verkehrt ist. (Zwar hätte ich das gleich sagen können, aber das wäre ja einem Zweifel an der Aufgabenstellung gleichgekommen, klugerweise wurde ich immerhin vorab gewarnt, so überschlau sein zu wollen)

Schritt 4) Zurück zu Schritt 2), nachbessern!!! Diese Loop, diese Schleife so oft wiederholen, bis eine der beiden Parteien aufgibt…. Das ist fürs Jobcenter in Form eines “Ermessensentscheides” möglich, für mich durch Gänge zur Berliner Tafel, zu den Suppenküchen und letztenendes dann zur Obdachlosenhilfe.

Schritt 5) Versuch, die angestaute intellektuelle Energie und die neu gebildete Chaoskompetenz nun in einem anderen Lebens- und Arbeitsbereich anzuwenden. Vielleicht gibt es sogar Geld dafür. Wahrscheinlich behalte ich meine Wohnung ja und meine Lidl-Einkaufskompetenz. Es ist alles so gekommen, wie es geschrieben wurde, eine Mischung aus “Schöne neue Welt” und “1984”.

Ich empfehle zur psychosomatischen Erweiterung und Sicherung der individuellen Zukunftskompatibilität folgende Lektüre:

“‘Repent, Harlequin!’ Said the Ticktockman”
is a short story by science fiction writer Harlan Ellison
http://en.wikipedia.org/wiki/%22Repent,_Harlequin!%22_Said_the_Ticktockman

Und vielleicht noch den Film “Der Prozeß” von Orson Welles mal wieder anschauen…

Und den Film “Die Zeitmaschine”, bloß um Gottes Willen nicht das Remake.
http://de.wikipedia.org/wiki/Die_Zeitmaschine_%281960%29
(Erinnern uns die Eloi nicht an das, was mit der Bildungsmisere durchaus mal erreicht werden könnte?…Ein wahrhaft visionärer Film … und das in “Metrocolor” !)

udowiegand.com

Photo taken at Oberbaumbrücke, Nov 2014

© petrov ahner