Als ich im Herbst 2017, nach knapp eineinhalb Jahren Aufenthalt in Warschau, nach Berlin zog, war ich wirklich glücklich darüber, in meine geliebte Wahlheimat zurückzukehren, in diese immer noch kreative, liberale und weltoffene Metropole an der Spree, in deren Westteil ich 1987 als Student kam und in der ich durchgehend bis zum Frühjahr 2016 geblieben war, von kleineren Reisen einmal abgesehen. Ich habe Berlin immer geliebt, insbesondere diese aufregende Zeit unmittelbar vor der Wende und dann natürlich die Jahre danach, als Berlin das Zentrum der europäischen Kreativszene wurde.
Ich liebe die Stadt immer noch, aber nicht mehr so sehr wie in den ersten knapp dreißig Jahren meines Aufenthalts. Die Stadt hat sich verändert, sie ist härter geworden, teurer. Gerade für Kreative sind Freiräume verloren gegangen und der Kampf ums bloße Überleben ist für viele in den Vordergrund gerückt. Der Spirit in Berlin hat sich verändert. Ich kann mir inzwischen gut vorstellen, in einer anderen Stadt zu leben, zumindest teilweise, allerdings nicht in Deutschland. Wahrscheinlich werde ich in Zukunft immer mal wieder woanders hinziehen, für ein paar Monate oder auch ein oder zwei Jahre. Ich denke, dass ich künftig nomadischer leben und arbeiten werde. Den sprichwörtlichen Koffer werde ich aber in Berlin lassen, denn Berlin ist nach all den Jahren für mich auch ein sicherer Hafen, in dem ich fast jeden Winkel kenne und in dem Freunde und Bekannte leben.
Bei den Unwettern im Juni wurde meine Straße in Ostkreuznähe überflutet. Keller standen bis zur Decke unter Wasser, Autos liefen voll, Bürgersteige brachen ein und selbst Ratten ersoffen. In den Tagen danach entrümpelten Nachbarn ihre Keller und Souterrainwohnungen und entsorgten zerstörte Möbelstücke und Hausrat auf der Straße. Dem Verlust durch eine ungewollte Katastrophe folgt das Aufräumen und ein Neuanfang. Alles ist im Fluss; die Stadt, die Geschichte, mein Leben.
Photo taken at Rummelsburg, June 2019
© petrov ahner