
Christophe Knoch, Sprecher der Koalition der freien Szene & Leiter der zentralen Marketingstelle, PAP-Berlin
Nach Berlin bin ich gekommen, weil Christoph Schlingensief einen Assistenten
gesucht hat, der sich um seine Geschäfte und sein Operndorf in Burkina Faso kümmern sollte. “…alles außer einer Beziehung”, er sei glücklich verheiratet, so lautete die Ausschreibung der Stelle. Berlin habe ich erst kennengelernt über die temporäre Bespielung einer alten Tresor-Fabrik im Wedding. Wir haben das Projekt micamoca project berlin genannt. In fünf Monaten haben im Sommer 2011 dort ca 350 Einzelveranstaltungen mit über 2.000 Künstlern stattgefunden. Unser kleiner Film dazu gibt einen Eindruck dieser Vielfalt. Dieser Reichtum an künstlerischen Ideen und Projekten, die Ernsthaftigkeit mit der sie verfolgt wurden und die Vernetzung in alle Kunstsparten bei ihrem Entstehen ist was mich seither an der Kunstproduktion in Berlin fasziniert und begeistert. Mit der Gründung der Koalition der Freien Szene aller Künste im Februar 2012 hat für mich die Erfahrung von micamoca ihre Fortsetzung im politischen Raum bekommen.
Das Kunstprojekt Berlin konnte sich auch durch die schier unbegrenzte Menge an Möglichkeitsräumen zu dem entwickeln, was es jetzt ist. Einer dieser Möglichkeitsräume war Micamoca. Und das Kunstprojekt Berlin hat sich vor allem durch die schier endlose Anzahl an Menschen aus aller Welt die hierher kommen und ihre Kunst machen zu dem entwickelt, was es jetzt ist. Menschen, die sich mit ihrer Stadt verbunden haben und die ihren Anteil daran nehmen und beteiligt sein wollen an dem was hier geschieht. Immer wieder hören wir von Jochen Sandig, dass Berlin keine geteilte Stadt sein soll, sondern eine teilende Stadt, ebenso, dass wir keine Bürgermeister brauchen – die ja ohnehin nicht sehr viel Sinnvolles machen – sondern Meisterbürger. Durch die Erfahrung mit Orten wie micamoca oder Aktionsplattformen wie der Koalition der Freien Szene und den Menschen denen ich dort seither begegne kann ich dem nur beipflichten. Das spannende an dieser Stadt ist was sie in Bewegung hält; nicht das was irgendwo als Erreichtes gilt. Aber Berlin droht zur Kulisse ihrer selbst zu werden. Die Stadt baut sich ihre eigenen Potemkinschen Dörfer mit Fassaden einer Vorvergangenheit. Es liegt an uns, sie in Bewegung zu halten.
micamoca.com/
berlinvisit.org
pap-berlin.de/
photo taken at the former Micamoca, Wedding, Nov 2013
© petrov ahner